«Ich möchte immer das Beste aus mir herausholen.»
Simona de Silvestro ist eine Schweizer Rennfahrerin. Nach ersten Rennerfolgen in Europa zog sie mit knapp 18 Jahren in die USA. In der legendären IndyCar Series wurde sie 2010 als „Rookie of the Year“ ausgezeichnet. Noch mehr Anerkennung verdiente sie sich ein Jahr später, als sie sich in Indianapolis am Tag nach einem schweren Trainingsunfall trotz Verbrennungen an beiden Händen ins Auto setzte und die Qualifikation schaffte. Aufgrund dieser couragierten Leistung erhielt sie ihren Spitznamen: „Iron Maiden“. Aktuell ist sie als Werksfahrerin bei Porsche unter Vertrag und neben Einsätzen in der amerikanischen IndyCarSeries als Test- und Ersatzfahrerin in der Formel E tätig.
Die zwei Serien unterscheiden sich komplett voneinander. IndyCar fährt man die Hälfte der Saison auf einem ovalen Kurs, wohingegen die Formel E nur in der Stadt auf einem normalen Strassenkurs stattfindet. Aber noch mehr unterscheiden sie sich im Bereich Geschwindigkeit. Bei der IndyCar Series erreichen wir Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 380 km/h, in der Formel E maximal 320 km/h. Dafür überzeugt die vollektrische Formel E mit der neuen Technologie, bei der viel mehr Taktik und ein anderer Fahrstil ausschlaggebender sind. Als Fahrer hat man in der Formel E viel mehr Einfluss als bei anderen Rennserien. Denn man muss in dieser Serie schnell UND effizient sein und das macht diesen Rennsport so kompetitiv. Und für den Fahrer herausfordernder. Ich persönlich finde es spannend, Teil dieser Serie zu sein und mitzuerleben, wie die technische Entwicklung massiv voranschreitet.
Du warst immer sportlich, hast neben dem Kart-Sport auch Tennis gespielt. Was hat dich im Kindesalter schon angetrieben, dem Motorsport den Vorzug zu geben?
Ich bin natürlich geprägt von meinem Vater, der mich schon früh zu Motorsport Events mitgenommen hat. Und nachdem ich im Alter von 6 Jahren bereits Go-Kart gefahren bin, war für mich war immer klar, dass ich in den Motorsport gehen möchte. Ich liebe die Geschwindigkeit – auf der Rennstrecke. Ich mag es, ans Limit zu gehen. Und meine grösste Leidenschaft ist der Rennsport. Für mich war immer klar, dass ich dieses Ziel verfolgen möchte. Egal, wie hart es ist.
Das bedeutet auch viel Training abseits der Rennstrecke. Wie hältst du dich fit?
Ich gehe auch im Training ans Limit. Ich mag es, aus meiner Komfortzone herauszugehen, neue Anreize zu setzen. Ich möchte immer besser werden, als ich bisher war. Mein Ziel ist es, das Beste aus mir rauszuholen. Im Rennsport ist Ausdauer natürlich sehr wichtig und daher gehe ich joggen oder biken. Und Joggen kannst du überall, egal, wo du gerade bist. Auf Reisen ist es zugleich eine schöne Art, die Stadt kennenzulernen. Aber auch Gewichtheben ist wichtig, vor allem für die Einsätze in der Indycar Series. Denn da haben wir keine Servolenkung und die Nackenmuskulatur wird stärker als in den anderen Rennserien beansprucht.
Du hast auch Rückschläge einstecken müssen. Denn trotz des Trainings für die Formel 1 bist du nicht aufgestellt worden. Was hat dich dennoch motiviert, beim Motorsport zu bleiben?
Das war ohne Zweifel ein mentaler Rückschlag. Denn ich habe von der Formel 1 geträumt und war 2014 wirklich nah dran. Aber neben den eigenen Fähigkeiten gehört auch viele äussere Einflüsse dazu, vor allem Sponsoren. Ich wollte immer Rennsport betreiben; es war mein Traum, seit ich sechs Jahre alt war. Und heute bin ich sehr glücklich und dankbar, dass ich diesen Traum leben darf. Die Formel E war meine neue Chance, denn mit diesem Einsatz hatte ich wieder ein konkretes Ziel vor Augen, für das sich das harte Training gelohnt hat. Und wer weiss, wohin der Weg noch führt.
Das klingt so, als wenn du gerade noch weitere Aktivitäten planst?
Ich trainiere momentan auch noch härter im Kraftbereich und übe auch Sprints. Denn ein weiterer Traum von mir ist eine Olympiateilnahme. Und da würde sich der Bobsport anbieten. Es gibt aufgrund der Geschwindigkeit und dem Einprägen der Strecke natürlich Parallelen zum Motorsport und ich würde gern als Pilotin zum Einsatz kommen. Aber dafür muss ich in den Sprints noch viel schneller werden.
Beschreib uns bitte mal deinen Job als Werks- und Entwicklungsfahrerin für den Rennsport bei Porsche. Denn viele gehen davon aus, dass du bei einem solchen Job den ganzen Tag im Auto sitzt und auf einer kleinen Rennstrecke deine Runden absolvierst. Aber da steckt doch noch viel mehr dahinter.
Porsche liefert in der Formel E den Motor und das Getriebe. Für eine effiziente und damit auch optimale Renngestaltung sind wir viel im Simulator, um dort die entsprechenden Anpassungen auch in der Software vorzunehmen. Wir können dort erproben, welche Szenarien optimal sind. Die Ingenieure können dort akkurate Messpunkte entnehmen und wir sparen Zeit. Aber natürlich gehört auch die Zeit auf der Rennstrecke dazu, um die Lenkung oder Reifenmischung auf unterschiedliche Verhältnisse abzustimmen bzw. anzupassen. Für die kommende Formel E-Generation wird es noch spannender, denn die Fortschritte, die wir aktuell machen, sind enorm. Dies wird sich auch in der Serienentwicklung widerspiegeln.
Aber mehr verrate ich dazu noch nicht.
Hast du schon einmal an einem SIM Racing Event teilgenommen? Wie realistisch in Bezug auf das Fahrgefühl, Geschwindigkeit sind diese Events für dich?
Ja, habe ich. Vor allem während der Pandemie. Und ich fand es sehr spannend. Aber es ist anders als in einem Rennauto auf der Strecke. Denn als Rennfahrer fühlt man viel im gesamten Körper, das Feedback vom Auto und direkt von der Strecke. Und das hat man in diese Serie nicht. Aber es hat grosse Vorteile. Man kann zeitlich unbeschränkt fahren, viele Strecken kennenlernen und diese trainieren. Denn die virtuelle Umsetzung und auch die Settings sind hervorragend. Und ich finde es gut, wenn man sich als Fahrer auch hier weiterentwickelt.
Du bist viele Tage im Jahr unterwegs. Was machst du als Ausgleich zum Reisen und zu Motorsport?
Ich habe das Wandern wieder für mich entdeckt. Ich liebe die Berge und es ist für mich ein cooler Ausgleich. Denn ich kann abschalten, die Natur geniessen. Und gleichzeitig trainiere ich bei einem Aufstieg auch noch meine Ausdauer. Da bin ich gern in der Region Beckenried, auf der Klewenalp unterwegs. Im Winter fahr ich gern Ski oder mach Skitouren. Am liebsten in Engelberg oder Andermatt.
Was würdest du Kindern raten oder empfehlen, die auch in den Motorsport einsteigen wollen? Welche Eigenschaften und Fähigkeiten – ausser Disziplin – sollte man idealerweise mitbringen?
Ich denke, das unterscheidet sich nicht von anderen Sportarten. Wichtig ist es, an sich glauben und den Willen zu haben, einen langen Weg zu gehen. Auch wenn der steinig ist. Wenn man den Traum hat, ein/e Motorsportler/in zu werden, sollte man früh genug beginnen, dies auch extern zu kommunizieren. Denn nur fahrerisches Können undTalent reichen nicht aus. Das mag der grosse und entscheidende Unterschied zu anderen Sportarten sein. Man braucht viel grösseren externen Support.
Thema Geschwindigkeit: Du bist den Porsche Taycan gefahren? Hat dich die Sportlichkeit und Dynamik dieses Porsche Modells überzeugt?
Ich liebe dieses Auto. Ich hatte die Möglichkeiten, das Auto auch auf der Rennstrecke zu fahren. Der Taycan hat unglaublich viel Grip und ist ein typischer Porsche, also ein Sportwagen. Aber auch auf der normalen Strasse macht der Spass. Vor allem die Beschleunigung ist enorm. Und gleichzeitig kann man diese Ruhe geniessen. Es ist ein unglaublich tolles Auto.